Der stille PUTSCH
Jürgen Roth (69) ist der bekannteste und seit über 30 Jahren einer der renommiertesten investigativen Journalisten, Autor zahlreicher Bücher und Dokumentarfilme. Er ist eine europäische Autorität in Fragen zur organisierten Kriminalität. Nahezu jährlich veröffentlicht er ein neues Buch, das zum Bestseller wird und sich in 250.000 – 300.000 Exemplaren verkauft.
Wer sind die Putschisten?
Mach Meinung Jürgen Roths geht der Putsch auf eine sog. Troika zurück, die sich aus Vertretern von drei Institutionen zusammensetzt: der Europäischen Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank. Roth beschreibt Verbindungen von Europapolitikern mit der Wirtschaft und große Wirtschaftsskandale, darunter bei der Deutschen Bank oder der ehemaligen Konzernführung von Siemens. Darüber hinaus schildert er, nach welchen Prinzipien die “Troika“ Kredite vergibt, die die Wirtschaften der Nationalstaaten nicht stärken, sondern Oligarchen-Strukturen schaffen und zeigt, dass Vorteile nur Privatbanken und große Konzerne haben.
Informelle Treffen zwischen Politik und Wirtschaft
Roth beschreibt ausführlich inoffizielle Treffen zwischen Politikern und Wirtschaftsoligarchen oder Geschäftsleuten, wie z.B. das “Wirtschaftsforum Baden-Baden“ oder die “Gruppe Bilderberg“. Bezüglich der ersten Gruppe betont er, dass die Gespräche deutscher Wirtschaftseliten in Baden-Baden auf die Harzburger Akademie der Wirtschaftselite zurückzuführen sind. Diese Akademie etablierte das sog. Harzburger Modell zur Schulung von Managern der deutschen und europäischen Wirtschaft. Gründer dieser Schule, die bislang über 600.000 Absolventen besucht haben, war Reinhard Höhn – ein deutscher Jurist und SS-Oberführer. Im Dritten Reich war er Rechtsberater der Polizei und SS und Hauptabteilungsleiter des SD sowie persönlicher Berater von Heinrich Himmler. Seine Vergangenheit wurde jahrelang verheimlicht, ähnlich wie im Fall zahlreicher weiterer westdeutscher Politiker oder Unternehmer.
Runde Tische
Die Putschisten organisieren eine Reihe “Runder Tische“, bei denen Strategien für Wirtschaft und Politik besprochen werden. Eines dieser Treffen fand 2012 in Dubai statt mit Teilnahme von Wirtschaftsvertretern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Schweiz und Deutschland. Veranstalter war die Bank Sarasin-Alpen, die zur schweizerischen Safra-Sarasin-Gruppe gehört. Schweizer Banken veranstalten ebenfalls Vorträge von Politikern. Die Sarasin-Bank, die an Steuervergehen gegen den deutschen Fiskus beteiligt war, veranstaltete 2012 einen Vortrag des SPD-Politikers Peer Steinbrück, für den er 15.000 Euro erhielt. Als die Sache ans Tageslicht kam, spendete Steinbrück das Honorar für wohltätige Zwecke.
Macht über die Medien
Die Macht über die Medien ist nach Auffassung Jürgen Roths ein wichtiges Element des stillen Putsches. Am Beispiel Deutschlands und der Schweiz zeigt er, wie die öffentliche Meinung zum Vorteil der Eliten beeinflusst wird. Er beschreibt sehr ausführlich eines der Treffen am Runden Tisch – den Entrepreneurs Roundtable in der Schweiz und in Deutschland. Über diese Gruppe, die sich 7-8 Mal pro Monat trifft, hat in deutschen Medien bislang noch niemand berichtet. An den Gesprächen nehmen zwar prominente Vertreter von Banken und Großkonzernen teil, aber auch Medienvertreter sind eingeladen. Die Treffen sind informell. Eine einzige Person aus Deutschland war bereit, J. Roths Anfrage zu diesen Treffen zu beantworten. Es war Martin Blessing von der Commerzbank, der mittels seiner Presseabteilung verkünden ließ: „Darüber können wir nicht reden“.
Die Schweiz – nicht nur ein Businesszentrum
Schweizer Medienunternehmen haben ihre Filialen und Abteilungen europaweit, darunter auch in Polen. Der bedeutendste Konzern ist nach Roths Meinung die Gruppe Ringier, in Deutschland bekannt als Ringier-Axel Springer Media (u.a. Bild und Die Welt), die seit 1994 ebenfalls in Polen mit einigen Tageszeitungen und Magazinen vertreten ist. Eine wichtige Persönlichkeit bei den Gesprächen am „Runden Tisch“ ist Martin Krall, ehemaliger Chef von Rignier Europa und gleichzeitig Aufsichtsratschef der Mediengruppe Funke, eines der größten Medienunternehmen in Deutschland. Für kritische Journalisten in Deutschland stellt die Gruppe Funke ein Beispiel dar, wie Druck auf Journalisten ausgeübt wird. Der deutsche Journalistenverband hatte die Gruppe Funke verklagt. Außer Krall sind an den „Runden Tischen“ ebenfalls Marc Walder, Geschäftsführer der Ringier-Group sowie Ralph Büchi, der Schweizer „Medienmanager des Jahres 2008“ vertreten. Er ist Vorsitzender von Axel Springer Schweiz und Präsident von Axel Springer International.
„Medienmanager des Jahres 2008“ in der Schweiz und „Hyäne des Jahres 2013“ in Polen
Ralph Büchi erhielt in Warschau den SDP-Preis für das Jahr 2013. Er war die „Hyäne des Jahres“ wegen unzulässiger Eingriffe in die Unabhängigkeit der Redaktion und Zensurbestrebungen gegen den Journalisten und Autor des Artikels „Kadisz za milion dolarów“. Außer ihm gehören auch Martin Spieler, Chefredakteur der „Sonntagszeitung“ und Autor der Rubrik „Investmentberater“ und Roger Köppler, Inhaber der konservativen „Weltwoche“, zu diesen Strukturen. Bevor er das Blatt übernommen hat, war die Zeitung ein durchaus kritisches Medium. Zuvor arbeitete er bei „Die Welt“ im Axel Springer Verlag. Derzeit ist er ebenfalls Vizevorsitzender des Schweizerischen Medienverbandes und seit 1991 Mitglied im Aufsichtsrat von TAMEDIA, eines sehr bedeutenden Medienkonzerns. Nach Roths Meinung verbreiten beide neoliberale Ideen und unterdrücken kritische Berichterstattung. Roger Köppler war einer der Gründer des Entrepreneurs Roundtable Deutschland in Berlin. Vertreten sind dort u.a.: Helmut Kohl, Mathias Döpfner, Klaus Wowereit aber auch Vertreter von Lufthansa, Mercedes, Morgen Stanley, ein Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bank und der Metro AG, der Vorstandsvorsitzende der Thyssen Krupp AG, Vorstandsmitglieder von Pharmakonzernen von BASF über Böhringer-Ingelheim bis hin zu Merck. Zu jungen Netzwerkern gehören vor allem der junge und dynamische Chef der Sat1-Pro Sieben AG sowie Kai Dieckmann. Eine wichtige Persönlichkeit des deutschen „Runden Tisches“ ist der bereits erwähnte Martin Blessing von der Commerzbank. Sein Großvater war in den Jahren 1958-1969 Vorstandsmitglied der Bundesbank, sein Vater hingegen Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bank. Auch seine Frau arbeitet in der Bankenbranche und bekleidet eine hohe Position bei Goldman Sachs in Frankfurt am Main. J. Roth zitiert einen Professor der Universität von Amsterdam, der eine Gruppe von 16 Personen beschreibt, die das „große Business“ in Europa in der Hand haben sollen: „Diese kleine Elite von 16 Personen hat die Hälfte der Geschäftskontakte zwischen den wichtigsten europäischen Unternehmen in der Hand. Zusammen sind sie in 67 unterschiedlichen Aufsichtsräten vertreten und bilden die Vorstände von 216 großen Firmen.“ Darunter sind auch große Medienkonzerne mit Einflüssen auf die Presse, das Fernsehen, das Radio und das Internet.
fot. Copyright © Cyril Schirmbeck