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Journalist im Krieg

Waldemasr Gruna: Du bist einer der wenigen Kriegsreporter, die von Vietnam in den 1960er Jahren bis zum ersten Irak-Krieg in den 1990er Jahren von vielen Fronten berichteten. Besonders viel Zeit hast du für die Berichterstattung aus Afrika aufgewendet. Die meisten deiner Texte erschienen im Stern, darunter auch Interviews mit Personen wie Schah Reza Pahlevi, Saddam Hussein, Mobutu Se Se Seko oder Papa Doc. Heute stehen sie für Diktaturen, gelten als „Bestien“, die zum Teil Hunderttausende Menschen mordeten. Wie siehst du diese Herrscher und Politiker aus der heutigen Perspektive? Worauf beruhte ihre Macht und kann man die Mechanismen der Machterlangung generalisieren?

Rnandolph Barumann: Generalisieren kann man nur insofern, als alle diese Typen zum Beginn ihrer Karriere liebevoll von den USA gefördert und zum Schluss von eben diesen USA abserviert worden sind. Ansonsten: Jeder von denen hatte Charisma, ohne Zweifel. Papa Doc wurde demokratisch gewählt, bevor er sich dann später zum Präsidenten auf Lebenszeit machte; Reza Pahlavi erbte das Amt von seinem Vater und modernisierte Persien sehr zum Ärger der schiitischen Geistlichkeit; Mobutu putschte in einer Chaos-Situation und brachte dem Kongo (zeitweise Zaire genannt) die einzigen Friedensjahre seiner Geschichte; Saddam Hussein diente sich in der Sozialistischen Baath-Partei nach oben. Gerade die Beispiele Saddam und Schah zeigen, dass der Sturz der Despoten die Völker nicht automatisch in eine bessere Zukunft geführt hat. Die Christen zum Beispiel hatten absoluten Minderheiten-Schutz (Saddams Vize war Christ). Heute werden sie von den Schiiten verjagt oder sogar massakriert. Ich persönlich fand das Personal rund um die "Bestien" insgesamt angenehmer als die üble Gesellschaft, die heute in Teheran, Bagdad und Kinshasa das Sagen hat. Was die Zahl der damals Ermordeten angeht: Sie steigt und steigt und steigt und steigt in der propagandistischen Rückschau. Und gemordet wird auch heute, ohne dass noch groß darüber berichtet wird.

W.G: Wie beurteilst du die jüngsten stürmischen Veränderungen in Afrika? Ist es tatsächlich ein „Afrikanischer Frühling der Völker“?

R.B.: Ich möchte nicht in der Haut jener Politiker stecken, die Hosni Mubarak und Zine al-Abidine Ben Ali beerben. Denn die Hunderttausende, wenn nicht Millionen von bildungshungrigen jungen Leuten, die ihr Leben riskiert haben, werden jetzt und bald ihren fairen Anteil fordern. Sie sind zwar die korrupten Clans in Ägypten und Tunesien los, noch aber haben sie kaum Aussicht auf das, was auch zur menschlichen Würde gehört: Arbeitsplätze mit korrekter Bezahlung. So denke ich, dass die Revolution in den arabischen Staaten Nordafrikas weitergeht. Und das ist gut so, weil es den Regierenden in aller Welt signalisiert: Das Volk lässt sich nicht mehr alles gefallen - was in Deutschland zum Beispiel die Massenbewegung "Stuttgart 21" beweist.

W.G.: Wie bewertest du die heutige Kriegsberichterstattung? Wodurch zeichnete sich deine Arbeit als Kriegsreporter in den 1960er oder 1990er Jahren aus? Gab es einen Unterschied in der Freiheit der Berichterstattung zwischen dem Vietnamkrieg und dem ersten Irak-Krieg? Gab es damals die so genannte „Präventivzensur“?

R.B.: Nein, es gab während des Vietnam-Kriegs überhaupt keine Zensur. Es war unglaublich. Für diese Zeit liebe ich die US-Army bis heute. Wenn wir - mein Fotokollege Perry Kretz und ich - sagten: "Wir möchten gern mit auf Patrouille!" - dann gingen wir mit auf Patrouille. Wenn wir sagten: "Ihr wollt morgen mit den Panzern in die Ho-Bo-Woods. Da möchten wir dabei sein!" - dann saßen wir auf (oder im) Panzer. Wir durften sogar eine Reportage über das Rauschgift-Problem in der Army machen - wobei wir natürlich die Genehmigung jedes Junkies eingeholt haben, bevor wir ihn beim Pinkeln (Urin-Test!) fotografierten. Natürlich haben die Journalisten damals neben den Heldentaten auch die Kriegsverbrechen dokumentieren können - was dazu führte, dass die westliche Öffentlichkeit diesen Krieg mehr und mehr ablehnte und schließlich den amerikanischen Abzug erzwang. Uns war deshalb klar, dass die Amis eine solche absolute Freiheit der Presse nie mehr akzeptieren würden. Außerdem hatte sich die Lage zwischen dem Ende des Vietnam-Kriegs und 1990 geändert: In Indochina waren wir zwischen 1964 und 1974 jeweils nur ein paar Dutzend Reporter; beim Golfkrieg ließen sich Tausende akkreditieren, vor allem die neu hinzugekommenen TV-Jungs mit dem Mikro. Solche Massen kann man nur noch in Pressekonferenzen bedienen. Übrigens, der Preis der Freiheit der Berichterstattung in Vietnam, Laos und Kambodscha: Neben 53 000 US-Soldaten starben auch 138 Reporter in Ausübung ihres Berufs, darunter auch einige, die ich gut kannte. Grüße ins Jenseits, Sean Flynn, Young Man.

W.G.: In den 1960er und 1970er Jahren erfolgten die Staatsstreiche in Afrika und anderswo oft als Rebellionen, an denen sich große Söldnergruppen beteiligten. Du kanntest einen von Ihnen – Jean Schramme. Was kannst du über ihn und über die Besonderheiten seiner „Arbeit“ berichten?

R.B.: 1952, ich war gerade 17, trampte ich per Autostop und Fischerboot nach Tunesien, das noch französisches Protektorat war. Ich meldete mich in Tunis bei der Fremdenlegion. Ein netter Korporal sagte mir, ich sei leider körperlich zu schwach und viel zu dünn. Ich wolle in einem Jahr wiederkommen. Während dieses Jahres bekam ich dann einen Volontärs-Job und wurde Journalist. 15 Jahre später schickte mich der STERN zum ersten Mal in den Kongo, weil ich der einzige französischsprachige Reporter war. Da habe ich dann Jean Schramme kennen gelernt, einen Belgier, dem die kommunistischen Simbas die Plantage zerstört hatten und der daraufhin in die Söldnertruppe jenes Moishe Tshombé eingetreten war, der in Katanga die Unabhängigkeit ausgerufen hatte und gegen Mobutus Zentralregierung kämpfte. Unter der Führung Schrammes riefen die Söldner im Ostkongo die Republik von Bukavu aus. Der Text der Unabhängigkeitserklärung wurde von Paul Ribaud, meinem Fotokollegen von PARIS MATCH, diktiert und von mir auf meiner Reiseschreibmaschine getippt. Die Sache wurde später publik. Seither habe ich in Journalistenkreisen bis heute den "nom de guerre" Congo-Randy. Wenn man die Söldner fragte, warum sie fern im Kongo ihr Leben riskierten - es kamen ja viele ums Leben - sagten sie: "Wir kämpfen gegen den Kommunismus." Ich hielt das für eine Phrase - bis ich viele Jahre später Che Guevaras Tagebücher gelesen habe. Der Che hockte, was wir alle nicht wussten, in jenen Bergen, die wir von Bukavu aus sehen konnten, und bereitete die Eroberung des Kongo (und damit Schwarzafrikas) vor. Er scheiterte an der Disziplinlosigkeit seiner Simbas. Der Kongo war das Land meiner Sehnsucht, seit ich in meiner Jugend "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad gelesen hatte. Conrad, eigentlich Józef Teodor Nalecz Konrad Korzeniowski, Sohn adeliger polnischer Eltern, war 1889 Kapitän eines Flussdampfers im Kongo-Freistaat des belgischen Königs Leopold. Conrad hat nicht nur Francis Ford Coppola inspiriert (dessen Vietnam-Film "Apocalypse Now" ist eine Adaptation von "Heart of Darkness"), sondern auch mich. Dieses ungemein grandiose Land - 2000 nahezu straßenlose Kilometer zwischen Kinshasa und Bukavu - hat mich ein Leben lang nicht losgelassen. Ich bin körperlich zwar in Görlitz/Zgorzelec gelandet - dem Lockruf meines Sohnes Marcel und meiner sorbischen Schwiegertochter Bozena folgend - meine Seele aber ist immer noch im Kongo.