Überwachungsstaat Europa?
Indect – ein auf Netzwerkbasis funktionierendes Überwachungssystem, das die EU bis 2013 als Projekt mit über 10 Millionen Euro fördert. Dabei werden sämtliche zum Monitoring stehenden Mittel eingesetzt und miteinander vernetzt. Unter dem Deckmantel der Sicherheit versteckt sich bereits der zukünftige Überwachungsstaat Europa?
Indect im Einsatz
Nehmen wir mal an, dass man irgendwo in der City an einem parkenden Wagen steht und auf jemanden wartet. Eine Kamera registriert die Person und Indect analysiert das Verhalten, wobei es feststellt, dass das Subjekt zu lange am Fahrzeug verweil. Die hochempfindliche Kamera wird vom intelligenten System an das Gesicht des Verdächtigen gezoomt; ein biometrisches Profil wird erstellt und mit Datenbanken der verschiedenen Polizeibehörden europaweit verglichen. Da die betreffende Person nicht gesucht wird, fällt das Ergebnis negativ aus. Danach wertet Indect das Internet aus. Dateneinträge zur Person, Beziehungen zu anderen über Facebook und anderen sozialen Netzwerken werden durchsucht. Vielleicht findet sich ein kritischer Blogeintrag oder ein Kommentar auf irgendeiner Seite wieder, der auf eine „terroristische Gesinnung“ deuten könnte. Verdächtig wäre möglicherweise auch eine nicht sofort definierbare Beziehung zu einer Person in Jemen oder den Vereinigten Arabischen Emiraten über Facebook, ein Chat, bei dem beispielsweise über Terrorismus diskutiert wird. Indect schließt die Möglichkeit nicht aus, dass das verdächtige Subjekt eine Bombe unter dem Wagen platzieren könnte, um so mehr, als diese plötzlich auf die Knie geht und ihre Hände unters Fahrzeug steckt. So lässt Indect eine Überwachungsdrohne aufsteigen und alarmiert die Polizei. Die rückt mit einem Sonderkommando an und nimmt eine Person fest, die lediglich auf einen Bekannten gewartet hat, um gemeinsam ins Kino zu gehen. Sie hatte sich neben dem Fahrzeug gebückt, weil sie nach einer verlorenen Kontaktlinse gesucht hatte. So könnten dann die zukünftigen Irrtümer von Indect aussehen.
Indect wird zur Zeit in Polen und Nordirland getestet, doch später soll es in der gesamten EU eingesetzt werden. Das intelligente Überwachungssystem wird von 11 europäischen Hochschulen darunter der Universität Wuppertal und der Technischen Universität Krakau entwickelt und von verschiedenen Polizeiorganisationen beratend unterstützt. Was konkret die Definition eines „abnormalen“ Verhaltens wäre, ist immer noch nicht klar ersichtlich. Klar ist hingegen ist, dass bereits Nachfrage aus anderen Ländern für das Überwachungssystem besteht. Denn mit einer solch umfangreichen technischen Kontrolle der Bürger, könnten sich die Diktaturen der Welt über Wasser halten. Der Projektleiter von Indect, Andrzej Dziech von der Technischen Universität Krakau, wollte sich zu den beängstigenden Prognosen nicht äußern und sagte der „Süddeutschen Zeitung“ nur: - Fragen, die mit der Verwertung und den zukünftigen Zwecken von Indect zu tun haben, liegen nicht im Rahmen unserer Forschung.
Sicherheit statt Freiheit?
Die Politiker, die uns die totale Überwachung als Sorge um die Sicherheit der Bürger verkaufen möchten, wissen, dass wir eine verängstige Gesellschaft sind, die sich leicht manipulieren lässt. Aus Angst vor vermeintlichen Terroranschlägen, Überfällen oder Übergriffen aus der links- oder rechtsradikalen Szene, wären wir unter Umständen dazu bereit unsere Privatsphäre zu Gunsten einer Infiltration aufzugeben. „Datenschutz ist Täterschutz“ - eine alte Argumentationsformel, die allerdings immer wieder wirksam zu sein scheint und den Bürger zu einem grauen Mitläufer, einem Schäfchen erzieht. Nach dem Beginn der Euro-Krise bangen die Europäer noch mehr um ihre Zukunft, alles wird unsicher, da kann man außer den Finanzmarkt-Jongleuren gleich alle überwachen – zur eigenen Sicherheit. Die Wirtschaftskrise der Euroländer hat ehedem die demokratischen Strukturen erschüttert; zur Zeit macht sich der postdemokratische Exekutivföderalismus breit und diesem könnte durchaus ein Überwachungsstaat folgen, der Demokratie gänzlich mit Füßen treten würde. Wir werden uns fragen müssen ob wir den Datenschutz und unser Recht auf Privatsphäre wirklich aus angeblichen Sicherheitsgründen aufgeben sollen. Aristoteles sagte mal: „Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave.“