In Deutschland billiger!
Seit vielen Jahren versorgen sich die Bewohner der deutsch-polnischen Grenzregion mit verschiedenen Waren in Deutschland. Vor allem in den Jahren 2006-2010 führte der gute Wechselkurs der polnischen Währung (starker Zloty) zu einem wahren Einkaufsboom in Deutschland. Doch auch der letztens schwächelnde Zloty vermochte die Kauflaune nicht zu dämpfen. Ganz im Gegenteil, seitdem die Polen in deutschen Lebensmittelmärkten massenhaft Zucker und Schokolade (die von den Verkäuferinnen rationiert wurden) kauften, hat sich dieser Trend sogar noch verstärkt.
Beispiel Grenzgebiet
Die Bewohner von Zgorzelec wissen schon seit Jahren, dass Milch, Schokolade, Alkohol (vor allem Weine und Cognac), Haushaltsreiniger oder Kosmetikartikel in Deutschland billiger sind und vor allem von besserer Qualität, als die vermeintlich identischen Produkte, die in Polen verkauft werden. Die Zucker- und Schokoladenfahrten führten dazu, dass die Polen Deutschland erneut als Einkaufsparadies entdeckten. So war es schon in Zeiten der DDR, als Tausende Polen bis Oktober 1980 nur mit einem Personalausweis ausgestattet in der DDR die wichtigsten Bedarfsgüter einkaufen konnten, die dort günstiger, besser und vor allem verfügbarer waren als in der Volksrepublik Polen. Tausende Menschen aus Zgorzelec und Umgebung arbeiteten bis 1990 legal im benachbarten Görlitz und auf zahlreichen Baustellen an den Braunkohletagebauen in der Gegend von Cottbus. Das dort verdiente Geld investierten sie vor allem in Schuhe (die berühmten Salamander), Kleidung, Lebensmittel und Haushaltswaren. Viele verkauften diese Güter mit Gewinn auf Flohmärkten im polnischen Hinterland und verdienten sich so unter Umständen sogar einen Zweitlohn dazu. – sagt ein ehemaliger Arbeiter der Firma Famago aus Zgorzelec. Bis an den Rand voll gepackte Autos die von einer „Reise“ in die DDR zurückkamen waren keine Seltenheit. Auch Warenrationierung für polnische Käufer oder gar Verkaufsverbote an Polen kamen vor.
Ähnliche Ansätze sind auch heute zu erkennen. Wie in Zeiten der DDR rationieren Verkäuferinnen Waren oder halten sie gar zurück. Das Wirtschaftssystem hat sich verändert, doch die Haltungen gegenüber polnischen Kunden blieben leider gleich. Der Anblick voller Einkaufswagen in den Supermärkten und voll beladener Kleintransporter sind fester Bestandteil der grenznahen Handelslandschaft.
Was kostet wie viel?
Überrascht sind Bewohner von Zentral- und Ostpolen, die auf ihren Märkten immer häufiger deutsche Waren zu günstigeren Preisen als die entsprechenden Artikel in ihren heimischen Supermärkten entdecken. So ist es zum Beispiel mit Kaffee, für den ein polnischer Verbraucher 28 Zloty (ein halbes Kilo) zahlen muss. Dasselbe Produkt aus Deutschland kostet auf dem Markt hingegen nur 20 Zloty. Der Preis beträgt im deutschen Supermarkt 3,99 Euro, also 12 Zloty. Daher die Aushänge in deutschen Supermärkten, dass man nicht mehr als 12 Stück kaufen darf (Foto). Im Fall des Alkohols (nur auf Rabattaktionen beschränkt) beträgt die maximale Zahl 9 Stück pro Person. Die übrigen Alkoholsorten kann man ohne Stückzahlbeschränkung einkaufen. Gute Weine, wie z. B. Bioweine, kosten 2-3 Euro, also 8-12 Zloty. In Polen muss man für Weine ähnlicher Qualität mindestens 20 Zloty pro Flasche bezahlen. Ähnlich verhält es sich mit Kosmetikartikeln oder Waschmitteln. Ein Markendeo kostet in Deutschland 6 Euro (24 Zloty), in Polen 40-50 Zloty. Waschmittelkonzentrate kosten ab 3 Euro pro 20-Wäsche-Packung, in Polen hingegen sind für ein ähnliches Produkt mindestens 20 Zloty fällig.
Produkte für Polen – wie in die Dritte Welt?
Nicht nur die Preise sprechen für den Kauf eines deutschen Produkts. Auch die Qualität. Polnische Internetnutzerinnen geben eindeutige Urteile ab: „Man kann es sehr einfach überprüfen, Frau Albina: Einmal mit dem einen und einmal mit dem anderen Waschmittel waschen. Der Unterschied wird leider gravierend sein. Außerdem erlaube ich mir einen Manager eines großen deutschen Unternehmens zu zitieren. Auf die Frage warum es Qualitätsunterschiede bei einem bestimmten Waschmittel gibt entgegnete er – Das ist die Variante für Polen.“ Eine andere Person wird noch direkter: „Die meisten Waren die in Polen verkauft werden sind qualitativ minderwertiger. Ich habe es selbst an vielen Produkten getestet und wir werden definitiv wie die Dritte Welt behandelt.“ Ähnlich sieht es ein anderer Verbraucher: „In die polnischen Supermärkte wird die schlechtere Ware abgeschoben, die sich im Westen nicht verkaufte. Der Kaffe und die Waschmittel sind schlechter. Und es gibt fast nie solche Rabattaktionen wie in Deutschland oder England. Je ärmer das Land, desto schlechter wird es von jenen behandelt, die daran verdienen.“
Der Durchschnittslohn in Deutschland und Polen
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage warum viele Produkte des täglichen Gebrauchs in Deutschland nicht nur qualitativ hochwertiger als in Polen sind, sondern auch günstiger. Schließlich beträgt der Durchschnittslohn in Deutschland 3450 Euro brutto, in Polen hingegen nur 1000 Euro brutto. Man könnte sagen, die Mieten wären in Deutschland höher, doch wenn man die Mietpreise in Görlitz oder Cottbus mit jenen in Zgorzelec vergleicht, dann stellt sich heraus, dass die Polen auch in diesem Bereich erheblich draufzahlen. Die Miete einer für polnische Verhältnisse sehr komfortablen 3-Zimmer-Wohnung mit 65 Quadratmetern in Cottbus kostet ca. 350 Euro (Warmmiete). Für eine ähnliche aber technisch schlechter ausgestattete Wohnung in Zgorzelec muss man 1300 Zloty (300 Euro) nur an Miete zahlen. Vielleicht zieht es deswegen immer mehr Polen nach Deutschland.
Die Perspektive ist sehr verlockend, denn in den westlichen Bundesländern gibt es kaum Arbeitslosigkeit (4-6%), es herrscht fast Vollbeschäftigung. Unter deutschen Jugendlichen suchen ca. 6% Arbeit, in Polen hingegen sind fast 30% der Jugendlichen arbeitslos. Sehr viele junge Menschen sind in Polen in so genannten prekären Arbeitsverhältnissen. In Deutschland können sie nicht nur Arbeit finden, sondern auch ein besseres Leben als in Polen. Das ist traurig aber wahr und es deutet nichts auf eine Verbesserung der Lage hin, auch wenn Polen in Europa in wirtschaftlicher Hinsicht hervorragend dasteht. Doch die in den Medien so gepriesene „Grüne Insel“ ist nicht das tatsachliche Polen. Das Land hat immer höhere Lebenshaltungskosten, was die oben genannten Preisbeispiele deutlich machen. Mehr über den deutschen Wohnungsmarkt in der nächsten Ausgabe.