Geschichte mit Photoshop gemacht
Kershaws Buch wurde am 13. September auf der Messe für historische Bücher in Kraków präsentiert. Auf dem Titelfoto gibt Adolf Hitler einem jungen Verteidiger von Lauban die Hand – es war der 14-jährige Wilhelm Hübner. Doch das stimmt nicht – sagt Janusz Skowroński, Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte des 2. Weltkriegs. Am 8. März 1945 kam Joseph Goebbels in die umkämpfte Stadt und er war es, der die Verteidiger begrüßte, darunter den jungen Wilhelm Hübner. – sagt Janusz Skowroński.
Originale dienen als Beweis
Zum Beweis zeigt er zwei Fotografien dieser Ereignisse, aufgenommen von einem Propagandafotografen des Dritten Reiches. Nach einem Vergleich mit dem Titelbild des Buches ist deutlich zu erkennen, dass jemand an Goebbels Stelle ein Foto Adolf Hitlers platzierte, das am 10. April in der Nähe der Reichskanzlei aufgenommen wurde. An diesem Tag verließ Hitler zum letzten Mal seinen unterirdischen Bunker und traf Angehörige der Hitlerjugend. – Der junge Hübner stand zwar einige Wochen später in Berlin vor Hitlers Bunker, doch bei dieser Gelegenheit machte ihm niemand Fotos an Hitlers Seite. Beide Aufnahmen vom Marktplatz in Lauban zeigen deutlich, dass Goebbels dem jungen Hübner gratulierte. Auffällig ist, dass neben dem 14-jährigen dieselben Soldaten stehen. Das konnte sich nicht zweimal ereignen. Es gibt keine Rechtfertigung für diese bewusste Manipulation. – meint Janusz Skowroński.
Kein Zufall?
Nach Skowrońskis Meinung kann das kein Zufall sein, sondern eine bewusste Manipulation der Fakten. – Heutzutage kann man mithilfe grafischer Bildbearbeitungsprogramme jedes Foto am Computer manipulieren. Vermutlich wurde das auch in diesem Fall getan. Aber warum? Sicherlich nicht, um irgendeine historische Wahrheit zu dokumentieren. Es sei denn, man möchte die Verkaufszahlen in die Höhe treiben – vermutet Janusz Skowroński. Über das neueste Buch von Ian Kershaw steht in der Werbebroschüre der Messe in Kraków folgendes: (…) „Der britische Historiker und Autor der wichtigsten Biographie Hitlers weiß über das Dritte Reich mehr, als sonst jemand. Nur er konnte überzeugend das unglaubliche Schicksal Deutschlands kurz vor dem Kriegsende darlegen. Dank dieses bahnbrechenden Buches wird sich unsere Sicht auf die letzten Monate des Krieges für immer verändern (…)“. – Ian Kershaw machte das sicherlich überzeugend. Und andere? Andere waren auch überzeugend, allerdings haben sie dem Autor, dem Leser und vor allem der Geschichte einen Bärendienst erwiesen – meint Janusz Skowroński. Weitere Informationen über Wilhelm Hübner finden sich im Buch von Janusz Skowroński „Unbekannte Lausitz. Die Geheimnisse von Lauban“.
Nur Wilhelm Hübner ändert sich nicht
Die einzige Person die sich auf den Fotografien nicht verändert und die nicht im Photoshop bearbeitet wurde ist Wilhelm Hübner. Ein ähnliches Titelbild aber mit der korrekten Fotografie präsentierte in seinem Buch der Lemberger Historiker Szymon Wrzesiński. Über junge Angehörige der Hitlerjugend kann man darin u.a. folgendes lesen: Ich war glühender Anhänger und opferte meine Freizeit der Hitlerjugend. Nach kurzer Zeit wurde ich zum Gruppenführer befördert. Doch Apelle, patriotische Abende und Schießübungen machten mir keinen Spaß (…) In der Hitlerjugend wurde großer Wert auf gute Schiessfähigkeiten mit Kleinkaliberwaffen gelegt, im Sinne des Mottos: „Ein Hitlerjunge muss ein guter Schütze sein, bevor er zur Wehrmacht kommt“. Grundlage der Erziehung war die militärische Ausbildung: Wehrübungen, Skilager, Ausbildung an Kleinkaliberwaffen – einigen mehrstündigen Übungen entzog ich mich durch Flucht oder weinte bittere Tränen vor physischer Erschöpfung. Als Muster und Vorbild galt der 16-jährige Wilhelm Hübner, der für seine Verdienste hoch dekoriert wurde und zur Belohnung Hitler persönlich treffen konnte. Das war aber in Berlin und nicht in Lauban und unter gänzlich anderen Gegebenheiten. Wrzesińskis Buch erschien im Verlag „Replika“.
Symbol unserer Zeit
Manipulationen an historischen Fotos bringen die große Gefahr der Geschichtsverfälschung mit sich. In heutigen Zeiten sind es leider überwiegend Fotos die die Wahrnehmung nicht nur der Geschichte bestimmen. Sie vermitteln Geschichte bildhaft und sind einfach wahrzunehmen. Diese hervorragend angefertigte Fotomontage mit Hitler auf dem Buchumschlag eines wichtigen historischen Buches ist ein Symbol unserer Zeit. Es ist auch eine Warnung davor, was uns in Zukunft erwarten könnte. Diese Technik könnte missbraucht werden, um die Geschichte der Gegenwart zu manipulieren. Vielleicht tauchen in einigen Jahren Fotos auf, auf denen Lech Wałęsa über einen Werftzaun springt oder wie er auf einem Militärmotorboot auf die Werftzusteuert. Leider zeigt das gefälschte Hitler-Foto, dass alles möglich ist. Man sollte historischen Fotos nicht allzu leichtgläubig vertrauen.