Die Puppenspieler
Beata Steć: Sind Selbstsicherheit, Arroganz und das bedingungslose Streben zum Ziel wichtige Eigenschaften im Leben, im Geschäftsleben und in der Politik? Erzwingt die heutige Zeit bestimmte Verhaltensweisen?
Piotr Tymochowicz: Nicht wirklich. Bestimmt nicht im Geschäftsleben, denn man muss bedenken, dass sehr aggressives Verhalten zwar einige heute berühmte Menschen in besonderen Situationen zwar weit gebracht hat, aber das sind absolute Ausnahmen. In den meisten Fällen sind Loyalität, eine Win-win-Strategie und gute Geschäftsbeziehungen viel wichtiger. Bedingungsloses Streben zum Ziel, primitives Verhalten und mangelnde Loyalität sind im Geschäftskleben immer weniger gefordert. Wichtiger ist ein Stil, den verschiedene Business-Clubs vertreten. Dabei muss ich Ihnen im Fall der Medien absolut zustimmen. In polnischen Medien werden sie weder Professor Turski, den bedeutenden Physiker und großen Denker, noch Herrn Wolszczan, den Mondforscher und Entdecker einiger Planeten sehen, sondern Personen wie Nelli Rokita und Dorota Rabczewska. Denn die Nachfrage nach dem Massenzuschauer ist größer als nach Minderheitenvertretern.
B.S.: Welche Tendenz ist da erkennbar?
P.T.: Ich würde mir da keine Sorgen machen. Ich denke die Tendenz ist gut. Jede Generation seitdem Gutenberg den Buchdruck erfunden hat sagt, dass die neue Generation nichts von vergangenen Werten hält, Chaos erzeugt und das alles in einer Tragödie enden wird. Erinnern sie sich daran, welchen Skandal Johann Strauss verursachte, als Menschen sich beim Tanzen plötzlich mit den Körpern berührten. Das war damals mit Gotteslästerung vergleichbar und sorgte für allgemeine Empörung. In Artikeln wurde gefragt, ob die Welt kurz vor dem moralischen Abgrund steht. Doch am Ende ist nichts passiert. Später wurden die Beatles überall kritisiert. Mikołaj Kozakiewicz, der erste Marschall des Sejm nach 1989, mit dem ich jahrelang bis zu seinem Tod eng befreundet war, hat mir einige sehr interessante Geschichten erzählt. In Polen gab es zahlreiche Artikel, Plakate, eine regelrechte Hetzjagd, an die sich heute niemand mehr erinnern will, als die Kirche und so genannte weltliche Kirchenanhänger Frauen angriffen und einige sogar lynchten, weil diese Fahrradfuhren. Frauen durften damals nicht Fahrradfahren. Auch damals meinte man, dass es immer schlimmer ist und die Welt bald untergehen wird. Aber nichts ist passiert. Von daher sind auch unsere heutigen Klagen, dass die Welt so furchtbar ist und die Medien nur primitive Gefühle befördern ebenso unbedeutend. Es wird nichts Schlimmes passieren. Die Welt wird anders, aber keineswegs schlechter sein.
B.S.: Warum mögen die Menschen solche Unterhaltung? Wie werden sich die Medien in Zukunft wandeln?
P.T.: Weil sie das Gefühl haben, schneller zu leben. Die alten Medien, wie das Fernsehen oder das Radio haben noch sagen wir mal 4-5 Jahre vor sich, danach wird es sie nicht mehr geben. Das Internet wird alles aufsaugen. Das ist eine Agonie des terrestrischen Fernsehens und der klassischen Radiosender. Deswegen unternehmen sie alles, um diesen Zustand zu verlängern. Deswegen schüren sie Emotionen und werden oberflächlich. Wir haben immer weniger Zeit zum Fernsehen. Das bedeutet, dass der Zuschauer immer selektiver schauen und viele Dinge nur noch oberflächlich beurteilen können wird. Deswegen sprechen wir über das passive und gedankenlose Fernsehen. Aus diesem Grund hat auch das Fernsehtheater keinen Sinn mehr, weil es mehr Aufmerksamkeit vom Zuschauer erforderte. Dafür hat heute keiner mehr die Zeit. Die Menschen wollen sich entspannen und sich vor dem Fernseher aufwerten. Entspannen können sie bei Quiz- oder Talk-Shows, wie Harald Schmidt es bei der ARD hervorragend vormacht. Da braucht man nicht viel nachzudenken, man hört einfach zu und lacht. Die Aufwertung erfolgt hingegen durch einen sehr einfachen Mechanismus. Der Zuschauer sieht auf dem Bildschirm Menschen, die noch dümmer sind als er selbst. Dadurch fühlt er sich besser, weil er sich denkt, dass es mit ihm noch nicht so schlimm sein kann, wenn solche Idioten im Fernsehen gezeigt werden. Deswegen machen die Teilnehmer von Big Brother und andere Vollidioten so große Karrieren, im normalen Leben würden wir solche Menschen gar nicht beachten. Doch im Fernsehen erfüllen sie eine sehr wichtige Aufgabe, weil sie uns aufwerten. Im Mittelalter kam diese Aufgabe dem Wanderzirkus zu, wo Dorftrottel vorgeführt wurden. Leute haben sich das gerne angeschaut, weil sie sich dadurch selbst besser gefühlt haben. Deswegen haben Benny Hill und Mr. Bean so großen Erfolg, weil sie einfach geistig zurückgeblieben sind. Deswegen hatte auch Forrest Gump so großen Erfolg. Das ist nicht mehr lustig, das ist geistige Behinderung.