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Die Nazis schlagen zurück!

Waldemar Gruna: Der Nationalsozialismus und die Nazis waren weder in Polen noch in Deutschland ein Thema, dem man sich mit Humor nähern könnte, bis der Film „Inglorious Basterds“ in die Kinos kam. Tarantinos Film war stellenweise brutal und nach Meinung Einiger übermäßig realistisch. Doch diese absurde Geschichte wurde vom Publikum gefeiert. Sie aber scheinen alle übertroffen zu haben – nicht nur mit Ihrem Humor und Sarkasmus, sondern vor allem mit dem Ausflug ins Science-Fiction-Genre und der Ihrem Film zugrunde liegenden Verschwörungstheorie. Wie kamen Sie auf diese eigentümliche Idee, sich so der Geschichte, der Zukunft und der Gegenwart anzunehmen?

Timo Vuorensola: Vor Tarantinos Meisterwerk gab es ein paar andere Filme der Thematik „Nazis meet Comedy”, z. B. Mel Brooks’ „The Producers“ und Dani Levys „Mein Führer“, aber es stimmt, dass man nur sehr selten humorvolle Aufnahmen über die Nazis in Spielfilmlänge findet. Andererseits sind die Nazis im angloamerikanischen Fernsehen und in Comics bereits verspottet worden, daher ist ein Spielfilm, der die Nazis verhöhnt, weder originell noch beispiellos.

W.G.: Darf man eine Parodie des „Bösen“ machen? Warum haben Sie sich gerade die Nazis ausgesucht und nicht zum Beispiel die Kommunisten, die ja nicht viel schlechter waren bei dem Aufbau und der Pflege eines totalitären Systems? Wie denken Sie wird das Feedback über den Film in Polen ausfallen? Anders als in Deutschland? Wenn ja, warum?

T.V.: Der Unterschied zwischen Nazis und Kommunisten ist laut Definition die Idee der „Herrenrasse“, eine Unterscheidung, die künstlich erzeugt wurde, und zwar aufgrund der Herkunft und nicht der Religion oder Ideologie. Religion und Ideologie können dazu gezwungen werden, sich zu ändern – und das ist die Idee in vielen religiös oder ideologisch motivierten totalitären Regimes –, aber Herkunft ist und bleibt, was sie ist. Die Idee, dass man entweder der „Herrenrasse“ oder den „Untermenschen“ angehört, ist außerordentlich, und sie schafft in Ergänzung zu all den Schrecken, die sie hervorbringt, die Saat für die Komödie, egal wie grauenvoll die Konsequenzen auch sind. Die Komödie baut auf dem Glauben auf, dass man besser ist als jemand anders, aber nicht aufgrund von Erfolgen oder Intelligenz, sondern nur weil man daran glaubt, dass man einer anderen, viel besseren Rasse angehört. Wenn eine Person, die diese Idee vertritt, sich selbst auf ein künstlich geschaffenes Podest erhebt und im Verlaufe ihres blinden Vertrauens in ihre eigene Exzellenz davon heruntergestoßen wird, dann ist eine Komödie geschaffen. Indem man sich vorstellt, dass eine solche Gesellschaft von anderen isoliert ist (auf der dunklen Seite des Mondes) und schließlich wieder in einen anderen Lebensraum katapultiert wird (wie es im Film geschieht), ist eine Komödie geboren. Ich glaube, dass Polen vielleicht mehr als alle anderen Länder (abgesehen von Israel, vermute ich), der nationalsozialistischen Ideologie gerne ins Gesicht spucken würde, und dies ist grundsätzlich genau das, was Iron Sky macht: der Nazi-Ideologie auf den Kopf zu pissen, die sich auch heute noch in den rechtsorientierten Ideologien überall in Europa und Nordamerika widerspiegelt. Die Reaktionen in Deutschland waren vorwiegend „erleichtert“, dass endlich auch die Deutschen dazu eingeladen werden, die Nazis fertigzumachen (denn sie sind nicht länger „Deutsche“, sondern „Mond-Nazis“). Ich hoffe, dass die Menschen in Deutschland es amüsant finden können zuzusehen, wie die damaligen Unterdrücker von ihrem Thron heruntergestoßen werden.

W.G.: Wie lange haben Sie an dem Film gearbeitet und hatten Sie Schwierigkeiten, die Produktionsmittel zusammenzubekommen? Gab es Hindernisse in der Produktionsphase? Darf man erfahren, wer den Film finanziert hat, denn die Spezialeffekte, die Qualität der Bilder und der Schnitt sind qualitativ überaus anspruchsvoll.

T.V.: Die Arbeit an Iron Sky begann in 2005, als in einer Sauna irgendwo in Finnland diese Idee entstand. Von da an begannen wir die Story zu entwickeln, fanden 2006 einen Drehbuchautoren und einen Produzenten und kamen in Cannes 2007 mit dem Film groß raus. Die Dreharbeiten fingen 2010 an, waren 2011 beendet und im Feburar 2012 hatten wir beim Berlin Film Festival die Filmpremiere. Während der siebenjährigen Produktion verursachten die Finanzierung und das Drehbuch die größten Probleme, da der Bereich, den wir mit der Story abdecken wollten, so umfangreich war, dass wir schließlich dazu gezwungen wurden, zu den wesentlichen Elementen zurückzukehren, anstatt alles mit einzubinden. Außerdem drehten wir den größten Film der finnischen Filmgeschichte und es gab nicht sehr viele Wege, eine so große Produktion zu gestalten. Der Film wurde von der Finnish Film Foundation, HessenInvestFilm in Deutschland, Screen Queensland in Australien sowie Eurimage, YLE in Finnland, Nordisk Film & TV Fond in den skandinavischen Ländern und von den Distributoren Buena Vista, Stealth Media und anderen finanziert. Zusätzlich haben wir etwa 1,2 Mio. Euro von unserer Internet Community durch Crowd Investments (900.000 Euro) und Crowdfunding (200.000 Euro) erworben. Die direkten Sponsoren waren der Computer-Anbieter Jimm’s und der finnische Armee-Ausstatter Varusteleka.

W.G.: Im Jahr 2008 wurde auf demselben Festival der Film „Katyń“ von Andrzej Wajda präsentiert, der den russischen Massenmord an polnischen Kriegsgefangenen im Jahr 1940 verarbeitet. Bei der Vorführung war u. a. Angela Merkel anwesend, doch das Publikum hat den Film nicht so sehr goutiert wie Ihren Film. Woran kann das gelegen haben?

T.V.: Ich hoffe, dass das an dem Film selbst liegt. Es ist interessant zu sehen, dass Filme niemals nur ausschließlich „gut“ oder „schlecht“ sind, abgesehen von ein paar Spezialfällen. Viele Filme werden unterschiedlich aufgenommen, abhängig vom kulturellen und historischen Hintergrund der Zuschauer. Diese Unterschiede sind sehr interessant, aber man sollte keine voreiligen Schlüsse daraus ziehen. Die Behauptung „das polnische Volk ist gelangweilt von den dunklen und schrecklichen Zeiten des Krieges und will nun etwas Leichteres, eine Art Entlastung“ ist sehr kurzsichtig. Ohne „Katyń“ gesehen zu haben, ist es für mich unmöglich – beinahe gefährlich –, nach Antworten auf diese Frage zu suchen. Ich freue mich darüber, dass mein Film gut ankommt, und finde es schade, dass dies bei Wajdas Film nicht der Fall ist, aber ich denke, dass es in die falsche Richtung führt, wenn man nach Verbindungen zwischen beiden Filmen sucht.

W.G.: Lachen und eine gewisse Distanz zur Geschichte sind eine Art psychologische Therapie, doch dies kann auch dazu führen, dass die Gefahr besteht, die Realität zu verkennen, vor allem in Zeiten schnellen digitalen Datenflusses. Wollten Sie mit Ihrem Film explizit die junge Generation ansprechen?

T.V.: Ich bin nicht gut darin, irgendeine Generation anzusprechen, ich sehe mich selbst noch als Teil der „jüngeren Generation“, obwohl ich schon 32 Jahre alt und mir darüber im Klaren bin, dass es nach mir eine noch jüngere Generation gibt. Ständig war ich mir einem bestimmten roten Faden bewusst, dem wir sozusagen folgten, als wir die Komödie von Iron Sky schufen. Ursprünglich wollten wir nur internationale Politiker und Nazis in all ihren Ausprägungen beleidigen, aber niemals die Opfer der Nazis. Außerdem versuchten wir, eine respektvolle Einstellung der Geschichte gegenüber aufrechtzuerhalten, und haben nicht mit tatsächlichen historischen Ereignissen herumgespielt. Wir haben ihnen nur eine kleine Drehung versetzt, die die eigentliche Prämisse des Films schuf, und dabei blieben wir. Und letztendlich hat Iron Sky, obwohl es eine Komödie ist, eine ernsthafte Seite. Ich wollte mit dem Film selbst meinen Spaß haben, aber ich wollte ihn auch mit einer ernsthaften, melancholischen Tendenz enden lassen, einer Warnung, dass wir von der Zeit der Weltkriege gar nicht so weit entfernt sind und dass all das wieder passieren kann, wenn wir uns nicht darum kümmern, was unsere Führer sagen und tun.

W.G.: Wie verarbeiteten die Deutschen die Nazizeit Ihrer Meinung nach? Wie wird das deutsche Volk mit der Vergangenheit fertig?

T.V.: Meinem Verständnis nach ist die Effektivität der deutschen Schuld bereits abgenutzt. Die heute lebende Generation hat nur sehr wenig oder gar nichts mit der Nazizeit zu tun und der „Schuldaspekt“ ist mittlerweile untauglich geworden. Ich glaube, dass niemand mehr aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat als die Deutschen, und ich finde, dass sie stolz darauf sein sollten, sich in eine friedliche, intelligente und starke Nation innerhalb Europas gewandelt zu haben, und dass sie sich nicht länger für die Vergangenheit schuldig fühlen sollten, sondern nach vorne blicken und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passieren wird – weder in ihrem eigenen Land noch irgendwo anders. Meiner Meinung nach ist es wichtig, die Vergangenheit nicht unter irgendeinen Teppich zu kehren – und damit richte ich mich an die ganze Welt, auch an Finnland, das seine eigene Geschichte mit den Nazis hat –, damit wir die Symptome erkennen, wenn sie noch in einem frühen Stadium sind, und die Menschen davor bewahren können, in dieselben Fallen und Lügen zu stolpern wie damals.

W.G.: Tarantinos Film zeigte eine alternative Sicht auf die Geschichte. Solche Produktionen entstehen in der letzten Zeit häufiger. Ihr Film bietet eine alternative Sicht auf die Zukunft. Wie sehen Sie diese Zukunft tatsächlich, vor allem im Hinblick auf die jüngsten Proteste gegen das ACTA-Abkommen oder die andauernde Finanzkrise?

T.V.: Ich freue mich darüber, zu sehen, dass die Menschen bereit sind, gegen solch idiotische und zutiefst destruktive Dinge wie ACTA zu kämpfen, die das gesamte Internet in seiner gegenwärtigen Form zerstören, den großen Unternehmen die Kontrolle in die Hand geben und die Meinungsfreiheit untergraben würden. Es ist sehr schön zu sehen, dass die Menschen heutzutage die Meinungsfreiheit mehr schätzen als je zuvor, und das ist ein Beweis dafür, dass zumindest in Europa (oder den USA) eine Unterdrückung, die dem Naziregime ähnlich ist, niemals wieder geschehen wird. Die Menschen würden das nicht zulassen. Die Finanzkrise ist hingegen eine viel dunklere Bedrohung und ist schon in vergangenen Zeiten eine perfekte Brutstätte für rechte, fremdenfeindliche Ideologien gewesen, die ihren Beitrag zu dem deutschen Naziregime leisteten, aber auch davor und danach oft aufgetaucht sind. Aber im Gegensatz zu meinem Film habe ich großes Vertrauen in eine bessere Zukunft.

W.G.: Konnten Sie schon positive Auswirkungen Ihrer Annäherung an die Geschichte und die Zukunft feststellen, die Sie in Ihrem Film darstellen? Wie hat die Internet Community reagiert?

T.V.: Ich habe festgestellt, dass „alternative Geschichte” – die Iron Sky teilweise ist – ein unerforschtes Genre ist, und die Menschen haben ein großes Interesse daran, es nun zu erforschen. Es ist ein „Was wäre wenn”-Genre, das die Menschen dazu bringt, zu denken, ihren Verstand für sämtliche Möglichkeiten zu öffnen und die gegenwärtige Welt anders zu sehen, nicht bloß als konstanter Strom von Ereignissen, sondern als Strom von Möglichkeiten, (z. B. Was wäre, wenn dies passiert, anstelle von dem?).